Donnerstag, 30. November 2017
Es sind Mädchen


Heute ist das Resultat des DNS Testes angekommen. Endlich kann ich ihnen einen Namen verpassen und nach langem Suchen nach aboriginal Namen sollen sie MARLA und MARREE heißen. Das sind auch kleine Örtchen im Outback Australiens - die ich hoffentlich im kommenden Jahr mal wieder zu Gesicht bekomme.



Sonntag, 26. November 2017
Trostpflaster
Da ich niemanden habe der mich verwöhnt, mache ich das halt selber.



Habe mir zwei lustige Vögel angeschafft, brauche was zur Ablenkung.

[Die Nachbarin sollte raten, welchen flugunfähigen Vogel ich mir anzuschaffen gedenke. "Penguin?" war ihr educated guess! Nächste Wahl: "Ostrich?"...(◔_◔)]



Donnerstag, 16. November 2017
4 Wochen
sind nun vergangen. Es wird besser, keine Frage. Das Serom hält sich in Grenzen, das Spannungsgefühl lässt nach, die Dehnübungen schmerzen weniger. Habe mir eine chin-up bar an den Rahmen der Badezimmertür montiert - schaffe zwar keinen Klimmzug, aber ich kann mich "hängen lassen", um optimale Dehnung zu erreichen.
Es ist ein komisches Gefühl, ohne Bekleidung in den Spiegel zu sehen, aber auch das wird besser. Vielleicht lasse ich den Oberkörper tätowieren? Sowas finde ich hübsch:



In den Kommentaren status quo.



Samstag, 11. November 2017
Nachwehen
Der Arztbesuch am Nachmittag war ein Witz. Zwei junge Assistenzärzte durften an mir üben. Einer nähte mit zittrigen Händen die Wunde zu, der andere bemühte sich erfolglos, die linke Seite zu punktieren. Ich versuchte ihm zu helfen, stach mir selber die Nadel ins Fleisch, aber die Kanüle war nach meiner Meinung viel zu dünn. Dann kam der Chef und stach ordentlich zu. Er aspirierte mehr als 50 ml, aber zeigte Null Empathie. Die Spritze fasste nur 20 ml, so musste er die Spritze von der Nadel trennen und entleeren, um sie dann wieder anzukoppeln. In der Zwischenzeit wanderte die Kanülenspitze und ich hatte das Gefühl, als steckte sie in meinem Brustmuskel. Das tat höllisch weh! Ich protestierte lauthals, er hätte einfach die Kanüle ein wenig zurückziehen müssen. Tat er aber nicht. Das muss ich aushalten, meinte er. Am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel gesprungen. Dilettanten, alle. Wahrscheinlich werde ich alle paar Tage zum punktieren vorbei kommen müssen. Kann im schlimmsten Fall ein paar Monate dauern! Jaja. Wenn du glaubst - mich wirst du nicht mehr sehen. Für den Affenzirkus auch noch $ 78,30 ($ 194,40 abzgl. 116,10 von medicare) ablegt.

Zu Hause checkte ich meinen schwindenden Vorrat an 1,2 mm Kanülen und bestellte gleich eine Großpackung bei eBay. Alle 2-3 Tage punktiere ich nun meine Wunden, aktueller Stand: rechts 05.11. 52 ml, 08.11. 50 ml und links 03.11. 45 ml, 06.11. 35 ml, 10.11. 35 ml .........es wird weniger.
Das Panzerkettengefühl ist zwei Wochen nach der Operation langsam verschwunden, die Rippen schmerzen noch immer. Jede Nacht werde ich öfters wach, weil ich auf der Seite liegend den stechenden Schmerz verspüre. Strecken der Arme über Kopf und seitwärts ebenfalls sehr schmerzhaft. Bin aber stolz, keine Schmerzmittel zu nehmen, will meinen armen Körper nicht auch noch vergiften.



Sonntag, 29. Oktober 2017
Finale (2)
Die Schwestern waren skeptisch, dass ich mit den Drainagen schon Heim kann und rückversicherten sich beim Chirurgen. Ok, ich kann nach Hause. Diverser Papierkram, Unterschriften, nochmal ein Gespräch mit der 'breast nurse', dann drückte man mir noch eine Tüte mit Ersatzflaschen und Verbandsmaterial in die Hand. Eine mobile Krankenschwester soll mich täglich besuchen - ich sagte dankend ab. Werde wohl selber klar kommen!
Endlich war ich raus aus dem Zimmer. Ich ging noch auf die öffentliche Toilette neben dem Haupteingang und entledigte mich meiner Vakuumflaschen - die wären mehr als unpraktisch im öffentlichen Nahverkehr, die Schläuche steckte ich in die Hosentasche.
Fußmarsch zum Bahnhof, eine Stunde Zug, dann mit dem Burli nach Hause. Es tat gut, alles in Ordnung vorzufinden! Als erstes schloss ich wieder die Vakuumflaschen an - ganz schön viel Sekret hatte sich in der kurzen Zeit angesammelt.
Am nächsten Tag rief ich Aileen an. Ich hielt es nicht mehr aus. Diese Drainage schmerzten wie verrückt und es waren 'nur' 70 ml in den Flaschen. Alleine konnte ich es nicht machen, die Schläuche waren seitlich angenäht. Den Burli wollte ich trotz seiner Erfahrungen im Rettungsdienst nicht dran lassen: er hatte sich ein Tattoo stechen lassen und ist anschließend ohnmächtig geworden! Was, wenn er bei mir umfällt? Vielleicht noch irgendwo den Schädel anhaut? Aileen kam gleich und übernahm die Sache routiniert. Brachte Einweghandschuhe und Desinfektionsmittel mit und befreite mich von meiner Pein.
Obwohl die Schläuche weg waren, die Rippenschmerzen blieben. Auch das Strecken und Recken tat weh, insgesamt hatte ich das Gefühl, als ob eine dicke Panzerkette um meinen Brustkorb gewickelt ist. Da muss ich halt durch. Sobald ich aufwache, werden die Arme nach oben gestreckt bis es unerträglich ist!
Oops, was ist das? Drei Tage nach der Drainage-Entfernung hatte ich ein feuchtes Erlebnis: Mein Schlafanzug, die Bettdecke und Matratze waren nass. Ich schaute nach meinen Wunden und musste feststellen, dass die rechte Wunde 3 cm eröffnet war und fröhlich sezernierte. Die linke war oB, obwohl es dort ordentlich schwabbelte.



Donnerstag, 19. Oktober 2017
Finale (1)
Am Montag hatte ich für den Burli meine Autoversicherung erhöht. Bis dahin war nur ich als Fahrer angemeldet. Mit der Bekanntgabe seiner Daten und $50,- Aufschlag darf er eine Woche lang meinen Panzer fahren.
Mittwoch, 04.30 Uhr - sicherheitshalber bin ich gefahren. Im Dunklen und der Gefahr mit einem Känguru zu kollidieren war es gescheiter, dass ich fahre. Um 05.35 Uhr ging der Zug, den ich spot-on erreichte, der Burli ist mit dem Auto zurück. In Adelaide um 06.40 Uhr angekommen und wieder die Überlegung: Taxi oder marschieren? Naja. Bis 11.00 Uhr ist Zeit genug, also 45 Minuten zu Fuß gegangen. Aufnahme-Prozedere wie gehabt, aber diesmal keinen Selbstbehalt löhnen müssen. Warum auch immer - die Anästhesiologie jedenfalls wollte Tags zuvor ihre $ 200,- überwiesen haben.
Zuerst wurde mir ein Doppelzimmer zugewiesen. Ohne auf Instruktionen zu warten, zog ich mir gleich das bereitliegende Totenhemd und die Stützstrümpfe über. Ich bin ja schließlich lernfähig. Noch ein paar Formulare mit der diensthabenden Schwester ausgefüllt, dann war es schon 11.00 Uhr. Erneut ging es per Aufzug ins Souterrain, und im Vorbereitungsraum traf ich endlich auf den Anästhesisten (ein anderer als bei der Lumpektomie: dick, gemütlich und freundliche Augen). Ich berichtete ihm von der schmerzvollen Aufwachphase beim letzten Mal und bat darum, mehr Schmerzmittel gegen Ende der Op zu erhalten. Der Arzt war aufmerksam und verständnisvoll, konnte meine Erfahrungen nachvollziehen. Sowas kann vorkommen, meinte er ... irgendwas mit Cortex...versuchte er zu erklären. Er will sich bemühen, dass es diesmal nicht so ist. Der Chirurg sagte kurz Hallo - und ab gings in den Op.
Ohne viel Tamtam setzte der Profi die Braunüle, das milchige Propofol floss in meine Ader ... weg war ich.
Die Uhr zeigte 14.30 Uhr als ich meine Augen aufschlug. Keine Schmerzen, gut so. Eine halbe Stunde später wurde ich zurück auf die Station geschoben - in ein Einzelzimmer! Welch positive Überraschung. Mit Abklingen der Narkose setzten dann doch Schmerzen ein. Wiederholt wurde ich gefragt, ob ich Medikamente wolle, lehnte aber ab. Solange ich mich nicht bewege, sind die Schmerzen erträglich. Das Tablettenschlucken spar ich mir noch auf.
Die erste Nacht verlief wieder sehr unruhig. Alle zwei Stunden die Kontrollen: Blutdruck, Temperatur, Sauerstoffsättigung und Wundschwellung. Aber am unangenehmsten waren zwei Manschetten an den Unterschenkeln, die sich rhythmisch aufbliesen und mit einem 'Plop' wieder den Druck entließen. Die Schwester insistierte auf die Dinger. Ich soll mit der Nachtschwester verhandeln, vielleicht lässt sie sich eher erweichen. Als ich auf die Toilette musste, blieb sie neben der Tür stehen - ich könnte ja umfallen. Einerseits verständlich, dass sie sich streng an ihr Protokoll hielt, andererseits recht unflexibel. Sobald die erfahrene Nachtschwester kam, war ich die Manschetten los und konnte mich wieder frei bewegen.
Zwei Drainageschläuche liefen seitlich aus der Op-Wunde und mündeten in je eine Vakuumflasche. Diese Schläuche verursachten den größten Schmerz. Irgendwie drückten sie auch auf die Rippen - es fühlte sich an, als wenn jemand dauernd mit dem Finger in die Seite bohrt.
Am Morgen nahm ich dann doch eine Paracetamol, die Schmerzen waren erträglich, Bewegung eingeschränkt und ich ziemlich k.o. Als der Chirurg zu seiner Morgenvisite erschien, teilte ich ihm mit, dass ich mich nicht fit für eine Entlassung fühle. Kein Problem - ich könne so lange bleiben, wie ich will.
Der Tag plätscherte so dahin, die Nacht war wieder beschissen, am zweiten Morgen fühlte ich mich noch nicht besser, aber ich wollte Heim. Die Drainagen sollen so lange drin bleiben, bis weniger als 50 ml/24h sezerniert werden. Auch recht. Mir war alles recht. Hauptsache Heim und ordentlich schlafen.



Besprechung
Am Montag (16.) hatte ich den Arzttermin in Elizabeth. Der Chirurg ging mit mir nochmal alles durch - und nein, keine Diskussion bzgl der beidseitigen Mastektomie! Er versicherte erneut, dass die Schmerzen nicht so arg werden würden und ich, wenn ich wirklich will, am nächsten Tag Heim kann. Ich berichtete ihm noch von meinen schlechten Erfahrungen bei der Radiologie und dass ich niemals wieder etwas mit denen zu tun haben wollte. Gut, dass ich das gemacht habe, denn er wollte mich tatsächlich wieder dorthin schicken! Um den Wächterlymphknoten in der linken Achsel zu finden, sollte von den Radiologen vor der Operation ein radioaktiver Tracer in die Brust gespritzt werden, damit der Operateur während des Eingriffs den mit bloßem Auge kaum sichtbaren Lymphknoten mit einer Gammakamera aufgespüren kann! Nein, kommt nicht in Frage! Kein Problem, lenkte der Doc ein, nehmen wir halt blauen Farbstoff. So soll es sein. Die Operation findet um 11.00 Uhr statt.



Burli
Er ist am Mittwoch (11.) aus Brisbane in Adelaide angekommen und hat die erste Nacht in einem Hostel verbracht. Mein Auto war beim Service und deshalb konnte ich ihn nicht abholen. Erst am nächsten Tag, als mein Auto fertig war, trafen wir uns in Gawler am Bahnhof. Es war noch einiges an Einkäufen zu erledigen, aber dann ging es die 75 km nach Hause. Die Heimfahrt war recht kurzweilig, da ich munter vor mich her gebrabbelt habe. Es tat gut mal wieder deutsch zu sprechen.
In den folgenden Tagen zeigte ich ihm genau, wie er was zu machen hat. Er ist ein cleveres Bürschchen, er verstand schnell, ich hatte ein gutes Gefühl. Obwohl er in seinem kurzen 19jährigen Leben außer mit der eigenen Katze kaum Tierkontakt vorweisen konnte, verstand er sich auf Anhieb mit Teddy. Meine strikten Anweisungen, nicht ohne mich auf die Kamelkoppel zu gehen - just in case - wird er befolgen.



Montag, 9. Oktober 2017
Schiss
Sobald meine Gedanken sich Richtung Op bewegen, macht sich die Angst wieder breit. So oft wie in den letzten Wochen habe ich meine Brüste noch nie angeschaut. Ich brauch sie nicht, ich habe sie noch nie wirklich gemocht. Sie schlabbern nur rum - aber keine mehr zu haben? Wieviel Schmerzen werde ich haben? Wie werde ich "ohne" kooperieren?
Wenigstens habe ich aus der ersten Operation gelernt, mich noch mehr zurückzuhalten. Meiner Freundin in Ö habe ich bis jetzt gar nichts gesagt. Sie war so besorgt, kann mir aber eh nicht helfen, warum soll ich ihr das Leben schwer machen? Der Nachbarin sage ich erst kurz vorher Bescheid, sie muss ja wissen, dass ich nicht im Haus bin. Der anderen Nachbarin, die meine Tiere versorgte, sage ich auch nichts, die macht mich nur noch mehr nervös. Die malt alles schwarz und als Krankenschwester weiß sie ja viel von Komplikationen zu berichten. Auch erspare ich mir youtube videos und Internetsuche. Als ich vor über 20 Jahren vor der Hysterektomie stand, da gab es die Möglichkeit der Information noch nicht. Ich ließ mich vom Gynäkologen beraten, Alternativbehandlungen auflisten und habe mich für den Eingriff entschieden. Bin ohne viel Vorbehalte ins Krankenhaus und habe die Situation so genommen, wie sie sich ergeben hat. Man kann ja eh nichts beeinflussen. Wenn Keime in die Wunde gelangen, dann muss gehandelt werden. Was soll ich mir jetzt Gedanken über mögliche Komplikationen machen (haha, leichter gesagt als getan)?
Einen Unterschied zum letzten Mal wird es geben: ich werde nicht alleine sein. Ein deutscher Backpacker hat sich auf eine Suchanzeige (Mithilfe im Haushalt und bei der Versorgung von Haustieren) gemeldet. So brauche ich Teddy nicht in eine Pension geben. Ob der junge Bursche mir wirklich eine Hilfe ist wird sich weisen. Aber zumindest bin ich abgelenkt. Am Donnerstag wird er eintrudeln.