Samstag, 30. September 2017
Doomsday (2)
Zurück auf der Station begann nun das lange Warten. Es war schön draußen, also ging ich noch ein wenig spazieren, konnte aber nur an eines denken: ESSEN. Ich war ja schon um 03.00 Uhr aufgestanden und hatte ein kleines Frühstück zu mir genommen. Die hook wire Geschichte war gegen 10.00 Uhr erledigt und bis zur Operation waren es noch gut sechs Stunden. Mein Magen grummelte, aber essen und trinken waren nicht erlaubt. Ein Tag kann so lang werden!

Gegen 15.00 Uhr tauchte ein Krankenpfleger auf der meine betagte Nachbarin in den Op bringen sollte. Sie hatte einen ähnlichen Eingriff wie ich vor sich, war aber in keiner Weise vorbereitet. Eine Schwester half der alten Dame hektisch aus den Klamotten und in das bereitliegende Op-Gewand, zum überstreifen der Stützstrümpfe blieb keine Zeit mehr. Ich war als nächstes dran, zwar erst in einer Stunde, aber ich sollte mich doch möglichst bald umziehen, um ein ähnlich überstürztes Vorgehen zu vermeiden.

Nachdem ich in meinem Bett vom Krankenpfleger in den Op-Vorbereitungsraum geschoben worden war, tauchte kurz der Chirurg auf und wollte wissen, ob ich noch Fragen hätte. Ich erzählte von meinem Blutbad in der Früh, aber er schien unbeeindruckt. Genug Gewebe soll er entfernen, nur nicht sparen, am besten Weg mit der Brust. Er lachte nur.

Dann war es so weit. Das Bett wurde bis vor den Op geschoben, ich musste aufstehen und mich auf den Op-Tisch legen. Es kam mir vor wie auf der Pathologie. Im weißen Totenhemd auf dem flachen Metalltisch, bestrahlt von einer riesigen Lampe. Jetzt werde ich seziert und komme dann in ein Kühlfach. Was für Gedanken.
Der Anästhesist erschien und versuchte eine Kanüle zu legen. Im rechten Arm klappt das nie. Obwohl Blut kam, war er nicht richtig drin: ich spürte, wie er mit Kochsalzlösung nachspülte. Er wird mir einen anderen Zugang legen, wenn ich schlafe sagte er. Ich sah, wie er das milchige Narkosemittel einspritzte – er fragt mich nach meinem Namen und Geburtsdatum - … das war's. Weg war ich. Einfach weg.

AUFHÖREN! Bitte aufhören! Ich wand mich wie ein Aal und die Tränen rannen. Es tut so weh, so verdammt weh. Was habe ich gemacht, dass es so weh tun muss? Jemand hat ein scharfes Messer in der Hand und schneidet mir scheibchenweise die linke Brustwarze ab. Was soll ich machen? Ich kann nicht schreien. Oder soll ich es versuchen? Ich zitterte und heulte wie ein Schlosshund.

Endlich wurde eine Schwester auf mich aufmerksam. Offensichtlich habe ich Schmerzen, meinte sie und holte Verstärkung. Es wird gleich besser, wurde mir versichert und eine ordentliche Portion Fentanyl rann durch meine Vene. Ich spürte die Erleichterung. Alles ist gut. Das Messer hat aufgehört zu bohren und zu schneiden. Nichts tut mehr weh.

Die Nacht war unruhig. Jedesmal, wenn ich glaubte in Morpheus Armen zu liegen kam eine Schwester und maß Temperatur und Blutdruck. Aber auch das ging vorbei und gegen 05.00 Uhr war ich hellwach. Ich bin Frühaufsteher und die innere Uhr teilte mir mit, es sei Zeit aufzustehen. Zähneputzen, aufs Frühstück und den Arzt warten - dann war es soweit: ich konnte gehen. Der Chirurg will mich anrufen, wenn der Endbefund von der Pathologie eingetroffen ist. Alle Daumen gedrückt, dass wirklich alles veränderte Gewebe entfernt wurde.